OLG Frankfurt am Main: Scheidungsantrag als Zeitpunkt für Ermittlung des Versorgungsausgleich nicht ausreichend

Dienstag, 13.06.2023

Im vorliegenden Fall mit Beschluss vom 10.05.2023, Aktenzeichen 4 UF 155/22, ging es darum, welche Ehezeit für die Durchführung des Versorgungsausgleichs bei Aussetzung des Scheidungsverfahrens maßgeblich ist. Die Eheleute hatten sich im Jahr 1986 getrennt und 1987 Gütertrennung vereinbart. Ein erster Scheidungsantrag wurde im Jahr 1990 zugestellt, wurde jedoch nicht weiterverfolgt. In den folgenden Jahren lebten die Eheleute zeitweise wieder zusammen. Erst im Jahr 2019 wurde erneut ein Scheidungsantrag gestellt. Das Familiengericht verband die beiden Verfahren. Die Antragstellerin argumentierte, dass die Ehezeit bis zum ersten Scheidungsantrag im Jahr 1990 andauern müsse, während der Antragsgegner eine Verlängerung der Ehezeit bis 2020 forderte. Das Gericht entschied, dass die Ehezeit bis zur Zustellung des erneuten Scheidungsantrags im Jahr 2019 maßgeblich ist.

Beim Versorgungsausgleich gilt der Amtsermittlungsgrundsatz, jedoch nur für „erforderliche“ Ermittlungen. Eine grobe Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs, wie sie in § 27 VersAusglG gefordert wird, stellt einen Ausnahmefall dar. Die tatsächlichen Voraussetzungen für eine grobe Unbilligkeit müssen zumindest in Form von Anhaltspunkten dargelegt werden, die das Gericht veranlassen können, von Amts wegen weitere Feststellungen zu treffen.

Im Fall der kompensationslosen Entziehung eines erworbenen Anrechts aus dem Versorgungsausgleich durch Ausübung des Kapitalwahlrechts entfällt auch in umgekehrter Richtung die Grundlage dafür, Anrechten des anderen Ehegatten teilzuhaben.

Das Familiengericht führte den Versorgungsausgleich entsprechend den vorgelegten Auskünften der Versorgungsträger durch. Das Gericht entschied, dass der Versorgungsausgleich nicht zu Gunsten der Antragstellerin ausgeschlossen oder zumindest eingeschränkt wird. Jedoch wurde berücksichtigt, dass die Antragstellerin ihr Anrecht bei der X durch Ausübung des Kapitalwahlrechts dem Versorgungsausgleich entzogen hat. Das Gericht entschied daher, dass der Versorgungsausgleich für das Anrecht des Antragsgegners bei der DRV Hessen ganz ausgeschlossen wird.

Die Gründe für die Entscheidung werden ausführlich dargelegt und auf frühere Hinweise des Senats verwiesen. Unter anderem wird darauf hingewiesen, dass die von der Antragstellerin geschilderten Vorfälle nicht ausreichen, um den Versorgungsausgleich auszuschließen. Ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs kommt nur bei schweren Straftaten gegen den Ehegatten oder eine nahestehende Person in Betracht. Die von der Antragstellerin geschilderten Übergriffe des Antragsgegners erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Auch eine grobe Unbilligkeit des Versorgungsausgleichs konnte nicht festgestellt werden. Jedoch wurde eine Korrektur des Versorgungsausgleichs zugunsten des Antragsgegners vorgenommen, da die Antragstellerin ihr Anrecht bei der X treuwidrig dem Versorgungsausgleich entzogen hat.

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