Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat in einem Beschluss vom 03.05.2023 (Az. 4 UF 19/23) entschieden, dass bei unterlassenen Vorsorgeuntersuchungen keine familiengerichtlichen Maßnahmen nach § 1666 BGB erforderlich sind. Das Jugendamt hatte das Gericht darüber informiert, dass die Mutter ihre Kinder nicht zur Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Untersuchungen beim Kinderarzt vorgeführt habe. Das OLG stellte jedoch fest, dass die versäumten Untersuchungen allein noch keine familiengerichtlichen Maßnahmen zum Schutz der Kinder vor einer möglichen Gefährdung rechtfertigen. Entscheidend sei vielmehr eine Risikoeinschätzung, die aufgrund einer Untersuchung des OLG ergab, dass eine relevante Kindeswohlgefährdung nicht vorliegt. Daher wurde der angefochtene Beschluss des Familiengerichts abgeändert und von weiteren familiengerichtlichen Maßnahmen abgesehen.
Im vorliegenden Fall hatte das Familiengericht der allein sorgeberechtigten Mutter die elterliche Sorge mit dem Teilbereich der Gesundheitssorge für ihre beiden Kinder entzogen und sie auf das Jugendamt als Pfleger übertragen. Diese Entscheidung wurde vom OLG Frankfurt jedoch abgeändert. Das OLG stellte fest, dass das Wohl der Kinder durch die verspätet oder unterblieben durchgeführten Vorsorgeuntersuchungen nicht gefährdet ist und daher keine familiengerichtlichen Maßnahmen erforderlich sind. Die Versäumung der Teilnahme an den U-Untersuchungen rechtfertigt laut OLG allein noch keine Maßnahmen zum Schutz der Kinder vor einer möglichen Gefährdung. Das Kinderschutzgesetz in Hessen verzichtet auf eine zwangsweise Durchsetzung der Teilnahme an den Vorsorgeuntersuchungen und legt stattdessen den Fokus auf eine Gefahrerforschungsauftrag für das Jugendamt. Daher sind Maßnahmen zur Durchsetzung oder zum Nachweis der Vorsorgeuntersuchungen nicht gerechtfertigt.
Das OLG betonte jedoch, dass das Jugendamt das Familiengericht über unterlassene Vorsorgeuntersuchungen informieren kann. In diesem Fall ist das Familiengericht dazu verpflichtet, eigenständig zu prüfen, ob Maßnahmen nach § 1666 BGB geboten sind. Das Familiengericht hat dabei keine Befugnis, die Meldung des Jugendamts zu prüfen, sondern selbst Ermittlungen vorzunehmen, um eine Risikoeinschätzung zu ermöglichen. Im vorliegenden Fall ergaben die Ermittlungen des Senats jedoch, dass keine familiengerichtlichen Maßnahmen erforderlich sind. Das OLG konnte aufgrund von ärztlichen Mitteilungen und dem persönlichen Eindruck von beiden Kindern feststellen, dass keine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Die Kinder waren äußerlich gesund, gut ernährt und altersgerecht entwickelt. Auch der Ergänzungspfleger berichtete von keinen Hinweisen auf eine mögliche Gefährdung oder familiäre Defizite. Daher fand das OLG keinen Grund zur Besorgnis, dass die Mutter die Gesundheitssorge vernachlässigt.
Das Jugendamt hatte argumentiert, dass die Mutter nur unter Druck aktiv werde und die Vorsorgeuntersuchungen nur dann durchführe. Das OLG wies darauf hin, dass bei einem der Kinder bereits alle Untersuchungen durchgeführt wurden und Förderung, Unterstützung und Hilfe für die Vernachlässigung von Aufgaben der Mutter zum originären Aufgabenbereich des Jugendamts gehört und keinen Eingriff in die elterliche Sorge rechtfertigt.
Aufgrund des gesetzlichen Auftrags des Jugendamts zur Gefahrenmeldung und des Erfolgs des Rechtsmittels der Mutter, wurde von der Erhebung von Gerichtskosten und einer Kostenerstattung abgesehen. Die Wertfestsetzung erfolgte gemäß den geltenden Vorschriften des FamGKG. Da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hatte und eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erforderte, wurde die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.