VwGH Hessen: Ausweisung eines Afghanen nach versuchtem „Ehrenmord“ rechtens

Montag, 05.06.2023

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat in einer Entscheidung vom 31. Mai 2023 (Aktenzeichen: 6 A 556/23.Z) die Ausweisung eines Mannes nach einem versuchten „Ehrenmord“ bestätigt.

Bei der Beurteilung der Wiederholungsgefahr bei einem versuchten „Ehrenmord“ dürfe der Fokus nicht allein auf einem möglichen weiteren Tötungsdelikt liegen, sondern auf jeder Form von schwerer (häuslicher) Gewalt. Auch nicht abgeurteilte gewaltsame Übergriffe vor der Tat könnten in die Prognose einbezogen werden, da Opfer häuslicher Gewalt diese oft erst zur Anzeige brächten, wenn die Gewalt eskaliere.

Im Bereich der ausländerrechtlichen Gefahrenabwehr sei nicht nur ein kurzer Zeithorizont zu berücksichtigen, sondern eine langfristig positive Prognose erforderlich. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht ausgeschlossen, nur weil während der Bewährungszeit keine neuen Straftaten bekannt geworden seien. Aus einer von der Mehrheitsgesellschaft abgeschotteten Lebensführung könne im Kontext früherer kulturell bedingter Gewaltanwendung eine Wiederholungsgefahr erwachsen.

Die Straftat folge einem bestimmten kulturell bedingten Muster und wiege so schwer, dass ein starkes gesellschaftliches Bedürfnis für die Abschreckung anderer Ausländer von ähnlichen Straftaten bestehe. Das Urteil habe daher auch generalpräventive Gründe. Die Ausweisung werde von der Mehrheitsgesellschaft nicht als innerfamiliäre Angelegenheit betrachtet, sondern als Verstoß gegen gesellschaftliche Normen.

Der Kläger habe in seinem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 24. Februar 2023 keine schlüssigen Gegenargumente gegen die angegriffene Entscheidung dargelegt. Sein Vorbringen, dass keine Wiederholungsgefahr bestehe und er sich an die bundesdeutschen Gesetze halten werde, reiche nicht aus, um ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit des Urteils aufkommen zu lassen. Die Einzelheiten des Vorfalls und die gutachterlichen Stellungnahmen würden zeigen, dass die Wiederholungsgefahr trotz der ausgebliebenen weiteren Straftaten nicht ausgeräumt sei. Der Kläger habe keine ausreichende Unrechtseinsicht gezeigt und die Tat nach wie vor damit gerechtfertigt, dass seine Ehefrau ihn in eine Falle gelockt habe. Zudem seien die kulturspezifischen Aspekte zu berücksichtigen, die zu einem niedrig-moderaten Risiko für eine erneute Gewalttat führten.

Auch die vom Kläger vorgebrachten Gründe bezüglich seiner Beziehung zu seinen Kindern und seinen Verbindungen zu Afghanistan hätten kein ausschlaggebendes Gewicht. Die Beziehung zu seinen Kindern sei seit der Tat auf ein Minimum beschränkt und er habe keine substantiierten Angaben zu regelmäßigen Umgangskontakten gemacht. Seine Verbindungen zu Afghanistan ließen nicht darauf schließen, dass er im Inland verwurzelt sei. Der Kläger könne sich aufgrund seiner Herkunft und seiner Verwandten in Afghanistan gut in den dortigen gesellschaftlichen Gegebenheiten zurechtfinden.

Insgesamt bestätigte der Hessische Verwaltungsgerichtshof die Ausweisung des Klägers aufgrund der schweren Straftat, der Wiederholungsgefahr und der generalpräventiven Gründe. Die Kosten des Zulassungsantragsverfahrens wurden dem Kläger auferlegt. Die Streitwertfestsetzung orientierte sich an der erstinstanzlichen Wertfestsetzung, die von den Beteiligten nicht angefochten wurde.

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