Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat am 17.05.2023 unter dem Aktenzeichen 3 B 1948/22 einen Beschluss gefasst. In dem Beschluss geht es um einen Drittstaatsangehörigen, der kriegsbedingt aus der Ukraine vertrieben wurde und nun einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG geltend macht. Der Antragsteller ist seit dem 01.10.2021 mit einer ukrainischen Staatsangehörigen verheiratet, die noch in der Ukraine verblieben ist. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hatte seinem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage zunächst stattgegeben, der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat nun jedoch die Beschwerde des Antragsgegners gegen diesen Beschluss abgewiesen.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof argumentiert in seinem Beschluss, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG hat, da er nicht zu dem geschützten Personenkreis gehört, der durch den Durchführungsbeschluss des Rates der Europäischen Union vom 04.03.2022 (EU) 2022/382 (ABl. L 071) zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2011/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes geschützt wurde. Dieser Schutz gilt auch für Familienangehörige der unter Art. 2 Abs. 1 a) genannten Personen. Voraussetzung ist jedoch, dass auch der ukrainische Staatsangehörige, von dem der Schutz abgeleitet wird, aufgrund der russischen Invasion aus dem Staatsgebiet der Ukraine vertrieben wurde. Da die Ehefrau des Antragstellers noch in der Ukraine verblieben ist, erfüllt er diese Voraussetzung nicht.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hatte in seiner Entscheidung argumentiert, dass die Stellung des Familienangehörigen keine akzessorische Rolle spiele und es sich nicht um einen Fall der Familienzusammenführung handle. Es könne auch nicht aus der Formulierung „hatten“ in Art. 2 Nr. 1 a) des Durchführungsbeschlusses abgeleitet werden, dass der ukrainische Familienangehörige seinen Aufenthalt in der Ukraine nicht mehr innehat. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hält dem entgegen, dass der erste Halbsatz von Art. 2 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz des Durchführungsbeschlusses auf alle drei in den Buchstaben a) bis c) genannten Personengruppen bezieht und daher voraussetzt, dass der ukrainische Staatsangehörige ebenfalls aus dem Staatsgebiet der Ukraine vertrieben wurde.
Die Argumentation des Antragstellers, dass der Durchführungsbeschluss potentielle Statusunterschiede zwischen Familienangehörigen vermeiden solle, findet nach Ansicht des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs keine Stütze im Wortlaut der Vorschrift oder den Erwägungsgründen. Die Regelungen zum Familiennachzug seien enger, und es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union auch Schutz für Drittstaatsangehörige gewähren sollten, deren Ehepartner in der Ukraine verblieben sind. Der Antragsteller hatte auch argumentiert, dass sein Fall mit dem einer drittstaatsangehörigen Ehefrau vergleichbar sei, deren Ehemann wegen der Wehrpflicht nicht aus der Ukraine ausreisen dürfe, jedoch ist auch hier nach Ansicht des Gerichts keine andere Beurteilung erforderlich.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof weist die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 08.11.2022 ab und ändert diesen ab. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage wird zurückgewiesen. Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt. Gegen den Beschluss ist keine weitere Beschwerde möglich.