VG Magdeburg: Einbehaltung von Dienstbezügen wegen offenem Verfahren unzulässig

Montag, 05.06.2023

Im vorliegenden Fall, Az. 15 B 27/22 MD, Entscheidung des Verwaltungsgerichts Magdeburg vom 22.05.2023, geht es um die disziplinarrechtliche Einbehaltung von Teilen der Dienstbezüge eines Beamten, der im Ruhestand ist. Der Beamte wurde in Spanien wegen zweifachen Mordes verurteilt und befindet sich derzeit in einer spanischen Haftanstalt. Die Disziplinarbehörde hat daraufhin verfügt, dass 30% der monatlichen Ruhegehaltsbezüge des Beamten einbehalten werden sollen, da eine Aberkennung des Ruhegehalts wahrscheinlich sei. Gegen diese Einbehaltungsverfügung hat der Beamte einen gerichtlichen Antrag nach § 63 BDG gestellt.

Der Antragsteller macht geltend, dass das spanische Urteil nicht rechtskräftig sei und erhebliche rechtsstaatliche Bedenken bestünden. Er verweist darauf, dass die Dolmetscherin nicht in der Lage gewesen sei, die deutschen gutachterlichen Ausführungen zu übersetzen und dass ein kriminologisches Gutachten der Verteidigung nicht zugelassen wurde. Weiterhin habe das spanische Berufungsgericht in Teilen der Verteidigung gefolgt und die Revision zum obersten spanischen Gerichtshof sei noch anhängig. Der Antragsteller geht davon aus, dass das oberste spanische Strafgericht das Urteil aufheben und feststellen werde, dass er aufgrund von Schmerzmedikamenten und anderen Umständen schuldunfähig gehandelt habe. Er argumentiert, dass daher ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einbehaltungsverfügung bestünden.

Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass der Antrag des Beamten nach § 63 BDG begründet ist und die Verfügung ausgesetzt werden muss. Es bestehen zum aktuellen Zeitpunkt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einbehaltungsverfügung. Gemäß § 38 Abs. 3 BDG kann die Einbehaltung von Bezügen angeordnet werden, wenn voraussichtlich auf Aberkennung des Ruhegehalts erkannt werden wird. Jedoch müssen für eine Aussetzung der Einbehaltung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen. Diese Zweifel sind gegeben, da der Ausgang des spanischen Strafverfahrens noch offen ist. Der Antragsteller hat gegen das erstinstanzliche Urteil Revision eingelegt und geltend gemacht, dass Verfahrensfehler vorliegen. Das Gericht hält es für sinnvoll und aus Fairnessgründen geboten, die Entscheidung des spanischen Obersten Gerichtshofs abzuwarten. Erst danach kann eine disziplinarrechtliche Bewertung in Deutschland erfolgen.

Die Einbehaltungsverfügung nach § 38 BDG ist keine Disziplinarmaßnahme, sondern eine beamtenrechtliche Maßnahme des Disziplinarrechts. Sie dient dem vorübergehenden Schutz des Dienstbetriebs und muss in pflichtgemäßem Ermessen der Einleitungsbehörde erfolgen. Eine Aussetzung der Einbehaltung kommt in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Diese Zweifel liegen vor, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen ist, ob die Anordnungen rechtmäßig oder rechtswidrig sind. Es genügt, dass sowohl der Erfolg des Rechtsbehelfs als auch sein Misserfolg möglich sind. Bei der Prognoseentscheidung muss die Möglichkeit des späteren Ausspruchs der disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme überwiegend wahrscheinlich sein.

Die Entscheidung über die Einbehaltung der Dienstbezüge muss auf Grundlage der bis dahin bekannten Tatsachen getroffen werden. Eine gesonderte Beweiserhebung ist nicht erforderlich. Es muss lediglich festgestellt werden, dass der Beamte das Dienstvergehen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit begangen hat. Im vorliegenden Fall ist jedoch der Ausgang des spanischen Strafverfahrens noch nicht geklärt. Es besteht die Möglichkeit, dass das Oberste Gericht das Urteil aufhebt und die Schuldunfähigkeit des Beamten feststellt. Daher bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einbehaltungsverfügung.

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